Mit 300 km/h nach Osaka

Als Susanne mit ihrem Post für unsere Fahrt von Tokyo nach Osaka fertig war, stand da:

„Heute sind wir mit dem Zug nach Osaka gefahren.“

Na Hallo, das ist alles? Naja, Susanne ist ja doch ein Mädchen. Also schreib‘ ich noch ein, zwei weitere Sätze. 

Also, heute sind wir mit dem Zug nach Osaka gefahren. Nicht mit irgendeinem Zug, sondern mit dem Shinkasen. Und auch nicht mit irgendeinem Shinkansen, sondern mit dem „Nozomi“. Dieser und zwei weitere namens „Hayabusa“ und „Mizuho“ sind die derzeit schnellsten Züge, die auf der Shin-kan-sen, der „neuen Hauptstrecke“ in Japan unterwegs sind. Mit bis zu 320km/h fegen diese Züge auf einer ganz separaten Trasse durchs japanische Hügelland. Das hat zur Folge, dass wir mit 5 Zwischenstopps in nur 2,5 Stunden die Strecke von über 550 km zwischen Tokyo und Osaka zurückgelegt haben.

Und man muss wirklich sagen, dass diese Art des Reisens extrem bequem ist. Nicht dass diese Züge irgendeinen oppulenten Luxus bieten würden oder dass es irgendwelchen futuristischen Schnick-Schnack an Bord gäbe oder dass der Speisewagen – den wir gar nicht besucht haben – Gourmet-Qualitäten hätte. Es ist einfach viel Platz, viel Beinfreiheit, bequeme Sitze, ordentliche Ausstattung und alles top sauber. Auch in der „Holzklasse“. Und es kommt immer wieder ein Fräulein mit dem Buffettwagerl vorbei und achtet darauf, dass niemand verhungert oder verdurstet. Einfach, praktisch, bequem und wirklich schnell. 

Unglücklicherweise – zumindest für mich als hoch technikaffinen Mann – bekommt man von der Geschwindigkeit nichts mit. Im flachen Land, wenn der Zug wirklich Gas gibt, wird einfach nur die Landschaft viel schneller vorbeigezogen. Bahnstationen in denen der Zug nicht hält und entgegenkommende Züge werden eher als Bildstörung wahrgenommen, denn als das was sie wirklich sind. Die Schilder an denen man vorbeirauscht sind, obwohl auch in unserer Schrift beschrieben, völlig unlesbar, ja nicht’mal sichtbar. Wenn man wissen will wo man gerade ist, dann muss man auf den nächsten planmässigen Halt warten oder GPS aktivieren. Und Gerüttel und Geschüttel gibt es auch so gut wie keines. Obwohl ich die österreichische Bahn mag, aber die ist bei halber Geschwindigkeit schon wesentlich ruppiger unterwegs. 

Insgesamt hat man an vielen Stellen den Eindruck, dass sich der Shinkansen-Betrieb viele Anleihen am Flugbetrieb des vorigen Jahrhunderts nimmt. Die Triebwagen – die eigentlich gar keine sind, weil diese neuen Züge Allrad-Antreib und zwar 128-Wheel-Drive haben – sehen wie die Nasen von Jets aus. Der Check-In und der Zugang zu den Zügen ähnelt an manchen Stellen auch mehr einem Flughafen. Zugführer und Zugbegleiter sind sowohl von Uniform als auch vom Gehabe eher wie Piloten und Flugbegleiter.

Und jetzt noch etwas, das man wohl nur in Japan finden wird – der Fahrkarten-Überprüfungs-Prozess. Bei allen anderen Zügen, auch U-Bahnen, zumindest bei den innerstädtischen Linien, gibt es nur noch elektronische Zugangs- und Kartenkontrollen am Weg zum und vom Bahnsteig. Am Shinkansen gibt es noch echte Schaffner, aus Fleisch und Blut und mit Kapperl und Zange.

Die Wagontür öffnet sich. Ein junges Büscherl, ich schätze ‚mal 20 Jahre alt, in vollem Ornat, betritt den Wagen, schreitet bis zur dritten Reihe vor und hält inne. Er nimmt die Kappe ab, verneigt sich vor den Fahrgästen und rödelt ehrerbietig seine Begrüssungsformel ‚runter. Er setzt die Kappe wieder auf, nimmt das Zangerl zur Hand und ersucht den ersten Fahrgast auf höflichste Art um die Vorweisung des Tickets. Die Fahrkarte wird genau angesehen und dann mit dem Zangerl… nein, nicht gelocht, sondern bestempelt. Dann gibt er die Karte mit einer kleinen Verbeugung und höflich klingenden Worten zurück und beginnt die Prozedur beim nächsten Fahrgast. Und sollte man gerade schlafen oder dösen, wenn der Herr Kontrolleur kommt, macht das nix. Nein, man wird nicht geweckt oder lauter angesprochen. Der junge Mann macht sich eine Notiz und kommt später wieder und später noch’mal und noch später noch’mal und… bis er alle Tickets gestempelt hat.

Nach diesen ein, zwei zusätzlichen Sätzen zur Reise mit dem Shinkansen: Ich würde die Zugfahrt einem Inlandsflug jederzeit vorziehen. Ich freu‘ mich schon auf die Rückfahrt nach Tokyo. Auf jeden Fall wieder mit dem neuen, schnellen Nozomi.

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