Eskorte für einen Internatsschüler von Tshangkha

 
In Trongsa blieben wir nur eine Nacht und machten uns um neun Uhr auf den Weg zum nächsten Bezirk. Nach rund 30 Minuten Fahrt holten wir Frank ein, einen unserer Mitreisenden, der bereits eine Stunde vorher vom Hotel zur Fuß los gegangen ist. Einige Meter vor ihm war ein 11-jähriger Bub, ebenfalls zu Fuß, unterwegs. Also haben wir beide in unserem Kleinbus mitgenommen. 
 

Schüler alleine zu Fuß unterwegs

Der Schulbub war, nachdem er einen Tag bei seinen Eltern war, nun von zu Hause zum Internat unterwegs und hatte rund zehn Kilometer Fußmarsch zu bewältigen. Deshalb ging er auch schon vormittags los, damit er auf jeden Fall rechtzeitig wieder im Internat zurück ist. Ich stelle mir gerade vor, welchen Gedanken sich österreichische Mütter machen würden, wenn ihre Kinder ganz alleine so weite Strecken laufen müssten und dann noch mit Fremden mit dem Auto mitfahren würden. In Bhutan ist das allerdings ganz normal. Im Gegenteil, hier freut man sich, wenn das Kind eine Gelegenheit bekommt, von einem Auto mitgenommen zu werden.
 

Tshangkha Central School

Wir haben den Jungen bis zur Schule gebracht und ihm ein kleines Care-Paket mit Mandarinen, Erdnüssen und ein bisschen Geld mitgegeben, da er aus einer armen Familie kommt. Und dann konnten wir uns noch am hügeligen, weitläufigen Schulgelände umsehen und mit ein paar Lehrern sprechen. Da am Sonntag nur der Internatsbetrieb und kein Schulbetrieb läuft, konnten wir keine Klassenräumen besichtigen. Denn jeder Lehrer versperrt sein Klassenzimmer und nimmt den Schlüssel mit nach Hause, damit niemand Unordnung machen kann. Trotzdem konnten wir einen ganz guten Einblick bekommen.
 

Direktor repariert Wasserleitung

Was wir aber sehen konnten, war der Schuldirektor, der eigenhändig mit seinem Stellvertreter, einem weiteren Lehrer und zwei Betreuer der Internatsschüler eine defekte Wasserleitung zu reparieren versuchte. Außerdem sahen wir eine Menge Schülerinnen und Schüler, die gemeinsam etwas spielten, Wasser für Pflanzen holten oder gemeinsam herum spazierten. Es gibt sogar einen Orchideengarten, für den einer der Lehrer, mit dem wir uns unterhalten hatten, gerade neue Pflanzen holen wollte. Und ganz oben am Hügel ist die Aula zu finden, die derzeit als Indoor Badminton Platz genutzt wird. Etwas ungemütlich kam uns nur der Speisesaal vor, dessen Tische und Bänke aus ganz schmalen Holzbrettern bestand, die in einen extrem grob betonierten Boden eingebracht sind. Doch insgesamt sieht alles sehr nett aus und es herrschte eine gelöste und freundliche Atmosphäre.
 

Fortschrittliches Lernen

Wir sind sehr davon beeindruckt, dass hier alle Fächer, außer die Landessprache Dzongkha, in Englisch unterrichtet werden. Außerdem lernen hier alle Kinder mit dem Computer umzugehen. Was wohl in Anbetracht, dass in Bhutan überhaupt erst  1999 TV und wenige später Internet & Co. eingeführt wurde, beachtlich ist. Es sieht so aus, als hätte man in Bhutan erkannt, was für eine gute Schulbildung essentiell ist. Unterrichtet werden 500 Buben und Mädchen in gemischten Klassen, die Internatshäuser sind nach Geschlechtern getrennt.
 
Für uns eher ungewohnt, jedoch auffällig sind die schlauen Sprüche, die hier überall zu lesen sind. Diese Art von Slogans findet man in Bhutan auch auf der Straße immer wieder mit freundlichen Hinweisen für die einheimische Bevölkerung. Erfreulicherweise haben wir im gesamten Land keinerlei Werbung gesehen. Das ist fast unvorstellbar, aber sehr erfrischend.
 

Lehrer sind Beamte

In Bhutan ist Lehrer auch deshalb ein beliebter Beruf, weil alle Lehrer Beamte sind, also vom Staat eingestellt sind. Damit werden sie, wie alle Beamte, eine Pension erhalten. Für alle anderen Menschen in Bhutan gibt es keine finanzielle Vorsorge für die Pension. Alte Leute werden genauso wie Arbeitslose von ihrer Familie unterstützt.
 

Ferien

Die Schulen haben in Bhutan im Dezember und Jänner geschlossen, weil es in diesen Monaten am kältesten ist und die meisten Schulen keine Heizung haben. Im Sommer gibt es dann noch im Juli ein weiteres Ferienmonat.
 
Nach diesen aufschlussreichen Informationen und der spannenden Besichtigung des Schul- und Internatsgeländes von Tshangkha machten wir uns auf den Weg nach Punakha.
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4 Gedanken zu „Eskorte für einen Internatsschüler von Tshangkha

  1. Hallo,
    Sehr interessant, was das Schulsystem betrifft. Die können sich das nicht leisten dass für jede andere kleinere Arbeit ein anderer eingestellt wird, da muss auch der Direktor mit angreifen, cool.
    Bei uns hört man oft , geht mir nichts an, ist nicht mein Bereich usw.; …
    Der Fußmarsch ist ganz schön ordentlich bis zur Schule,der Bewegungsbedarf ist damit schon Mal gedeckt gg.Sinds dann schon müde wenn in der Schule sitzen.
    Lg Lilly

  2. Hallo! Was habt ihr für „seltsame“ Mitreisende? Frühmorgendlicher Fussmarsch statt bequem Bus fahren? Wahrscheinlich so ein Bewegungsfanatiker ;).
    Ich find’s toll, dass das „Autostoppen“ dort noch üblich ist. In Österreich überlegst du dir das dreimal, bevor du zu jemand Fremden ins Auto steigst. Und für den Kleinen war’s sicher eine Erleichterung. Hat er mit euch englisch gesprochen oder hat euer Guide übersetzt? Find ich interessant, wenn man so ungeplant Einblicke ins „richtige“ Leben bekommt.
    Liebe Grüße Doris

    1. Liebe Doris!

      Seltsame Menschen gibt’s 🙂
      Tatsächlich ist das aber super schön. Wenn ich nicht so eine Schlafmütze wäre, wäre ich gerne mitgegangen.

      Das ist hier eigentlich gar kein Autostoppen wie bei uns, sondern eher Bestandteil des täglichen Lebens. Es ist eher so, dass der Fahrer von Bus oder LKW stehen bleibt und fragt ob er den wandernden mitnehmen soll.
      Der Bursche war noch recht jung und sehr schüchtern. Zumal wir ja ein Touristenbus waren und die bleiben eher nicht so oft stehen. Der Guide hat ihn ausgefratschelt und für uns übersetzt.

      Ja, der ungeplante Schulbesuch war recht spannend. So sieht man dann das wirkliche Leben. Wir waren dbzgl. alle sehr interessiert und initiativ.

      Liebe Grüße, Andreas

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