Sushi für Nerds

Wie viele wissen ist Japan ein technologisch ausgesprochen fortschrittliches Land. Viele technologische Innovationen, die aus unserem Alltag gar nicht mehr wegzudenken sind, haben ihren Ursprung in Japan. Und die Japaner haben sich auch Gedanken gemacht wie man die Prozesse Essen-Bestellen und Essen-Liefern automatisieren kann.

Stufe 1

Wir sind durch Zufall in ein Lokal gestolpert, in dem eine Vielzahl an Nudelgerichten, als Suppen oder gebraten oder beides, angeboten wurden. Um dort etwas zu bestellen sucht man sich in dem vor dem Lokal aufgestellten Automaten die gewünschte Speise aus, wirft den entsprechenden Geldbetrag ein, drückt den jeweiligen Knopf und bekommt daraufhin einen Kupon ausgedruckt. Im Lokal selbst kann man dann den Kupon gegen die gewünschte Speise eintauschen.

Stufe 2

Wir haben ein Sushi-Restaurant besucht in dem die Bestellungen nicht mehr von Kellnern aufgenommen werden. Auf jedem Tisch findet man ein etwa 9 Zoll großes, tabletartiges Gerät, mit Touchscreen und WLAN-Verbindung in die Küche und zur Kassa. Auf diesem Gerät findet man alle Speisen und Getränke und bestellt sie dort auch gleich. Augenblicklich rattern aus einem kleinen Drucker in der Küche die Bestellungen und die Sushi-Kneter fangen sofort mit der Zubereitung an.

Die Lieferung von Küche zum Tisch passiert noch „oldschool“ per Kellner.
Am Ende geht man mit dem Gerät zur Kassa und bezahlt dort die Konsumation.

Stufe 3

Zuletzt haben wir ein Sushi-Restaurant besucht in dem die Bestellungen nicht mehr vom Kellner aufgenommen werden und die Speisen auch nicht vom Kellner gebracht werden. Die beiden sichtbaren Angestellten waren nur noch zur Platzzuweisung und abschließenden Abbrechnung da. Tatsächlich wären die beiden aber auch einsparbar ;-). Scheinbar.

Wie bei Stufe 2 wird die Essensbestellung via funkverbundenem Touchscreen in die Küche gesendet. Das Lokal selbst ist aber so gestaltet wie man es von unseren Running-Sushi-Lokalen (Kaitenzushi) kennt. Nur dass nichts „runnt“. Statt einem Förderband auf dem die Tellerchen vorbeiruckeln, gibt es lediglich eine unscheinbare Plastikbahn mit Mittelschiene. Das am Touchscreen via Funk bestellte Essen wird auf einem tablettartigem Wägelchen von der Küche, über diese getarnte Magnetschiene zum jeweiligen Tisch bzw. Gast befördert, welcher dann die ein bis vier kleinen Teller herunternimmt und den Transportwagen per Knopfdruck in die Küche zurückschickt. Wenn er das nicht tut, wird er durch wiederholtes, nervtötendes Gepiepe daran erinnert.

Das Bestellen und Zusehen wie das Essen angefahren kommt war echt ein Spaß. Zumindest für mich. Susanne hat sich mehr darüber amüsiert wie sehr ich mich über das fahrende Essen freue. Wir haben dann extra immer nur einzelne Sushi bestellt, damit der Schlitten möglichst oft zu uns fahren muss.

Am Ende des ganzen Spaßes drückt man auf den „Check out“-Knopf, sämtliche Bestellungen und der Gesamtpreis werden angezeigt und an den Cash-Desk (also die Kassa) übertragen, wohin man schlussendlich Zahlen geht. Das geht auch Ruck-Zuck von statten, weil dort ja bereits alle Daten sind und der Mitarbeiter schon weiss, dass wir gleich kommen werden.

Haha! Habt Ihr mir das jetzt wirklich geglaubt? Ja? Also ich hätte es wirklich geglaubt. Auf jeden Fall hätte es so funktioniert, wenn dieses „Smart-Sushi“, wie es hier genannt wird, in Deutschland oder den USA gebaut worden wäre. Nicht aber in Japan. Hier gibt es Traditionen und die werden gepflegt und nicht von irgendeiner dahergelaufenen Maschine ersetzt.

Also nochmal: Am Ende des ganzen Spaßes drückt man auf den „Check out“-Knopf. Daraufhin ertönt ein Gong. Dann kommt einer der Bediensteten zum Tisch, zählt wieviele Tellerchen pro Tellerfarbe am Tisch stehen, notiert dies händisch auf den allerorts üblichen Bestellblock, überreicht uns diesen mit aller gebotenen Höflichkeit und weist in Richtung Cash-Desk. Dort steht dann ein anderer Mitarbeiter, übernimmt den Bestellzettel und tippt alles in die Kassa ein und wickelt mit uns den 08/15-Zahlvorgang ab.

Na das war aber enttäuschend. Zuerst ein vollautomatisierter Bestell- und Zustellungsprozess vom Feinsten und dann eine Abrechnungs- und Bezahlvorgang vom Typ „Steinzeit“. Irgendwie aber doch wieder typisch für Japan. Ich erinnere mich plötzlich an den hochmodernen, 320-km/h-schnellen Shinkansen mit einem Schaffner und seinem Fahrkartenentwertungszangerl.

 

Zusatz-Beaumont: Als unsere zweite Sushi-Bestellung per Magnetschienen-Bahn angefahren kam und wir die Wägelchen entluden, haben wir uns gefragt, ob wir nun die leeren Teller der ersten Bestellung, mit dem nun leeren Wagen wieder in die Küche zurückschicken sollten. Wir haben uns entschieden es nicht zu machen und die Teller am Tisch zu behalten. Als wir das Lokal verließen haben wir uns ausgemalt, welches unglaubliche Chaos wir wohl ausgelöst hätten, wenn wir die Teller zurückgeschickt und damit den Abrechnungsprozess gänzlich zunichte gemacht hätten.

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